29.07.2021

Das Handballfeld im Würfelzucker

zu Aktuelles
Man sieht einen Mann mit Mundschutz, Schutzhaube vor einem Hochofen

Dr. Andras Kovacs führt mit großer Begeisterung den Hochofen für kleinste Bauteile vor.

LABORE IM FOKUS: Wo Kleines ganz groß rauskommt - Ein Besuch im HFU-Technologielabor für Nano- und Mikrosysteme

In der Welt der kleinsten Teilchen braucht man als allererstes: blitzblanke Schuhe! Deshalb beginnt ein Besuch im Technologielabor für Nano- und Mikrosysteme mit einer Schuhputzmaschine und Überziehern, einem Laborkittel, Handschuhen und einer Haube. Wer winzige Dinge erforscht, der muss in „Reinräumen“ arbeiten, das bedeutet, es dürfen keine Staub- und Schmutzpartikel in der Luft herumschweben. Wie besichtigt man eigentlich etwas, was das bloße Auge gar nicht sehen kann?

Seit rund 30 Jahren lehrt und forscht Dr. Andras Kovacs von der Fakultät Mechanical and Medical Engineering an der Hochschule in Furtwangen, und die Begeisterung für sein Fachgebiet stellt er so bildhaft dar, dass „Sehen“, „Wissen“ und „Vorstellen“ ganz neue Bedeutungen bekommen. Dass zum Beispiel Flächen von der Größe eines Handballfelds in würfelzuckergroße Körper passen, wenn man diese nur porös und kleinporig genug gestaltet. Dass mehrere Milliarden Transistoren auf einem Chip in Fingernagelgröße Platz haben können. Dass man kleinste Bauteile für elektronische Geräte in Hochtemperaturöfen backt, mit Säure verätzt oder wie eine Fotographie belichtet. „Die Entwicklung der Miniaturisierung bedeutet, dass elektronische Systeme immer kleiner und immer komplexer werden“, so Dr. Kovacs. „Also müssen auch die Bauteile dafür immer kleiner werden und immer mehr Möglichkeiten bieten.“

Nicht nur in den praktischen, handlichen Alltagshelden wie Smartphones und Co sind solche Multitasking-Teile verbaut – man denke nur an den Fingerabdruck zum Entsperren. In der Mikroelektronik muss ein intelligentes Teilchen eine Information durch einen Sensor aufnehmen, das Signal auswerten und agieren können. Und dabei noch winzig klein sein. Auch für den Einsatz in der Medizintechnik sind kleinste „Maschinen“ gefordert. Heute ist bereits möglich, Kameraaufnahmen im Magen oder innerhalb einer Ader zu machen, und „Medikamentenfähren“ sollen bald gezielt durch den menschlichen Körper gesteuert werden können. Mit an Bord: kleinste Sender und Empfänger, winzige Elektronik zur Auswertung von Daten. Die im Kleinen liegenden Möglichkeiten, an denen an der HFU geforscht wird, scheinen unbegrenzt.

Das Geheimnis zur Herstellung so kleiner Bauteile liegt in der Aufbringung von hauchdünnen Schichten auf einem Trägermaterial, in der HFU wird dafür Silizium verwendet. Diese Schichten werden strukturiert, um Informationen tragen zu können, und es passiert außerdem so ziemlich alles mit ihnen, was in einem Wörterbuch an chemischen Vokabeln zu finden ist. Aus den vielen Anlagen und Geräten im Mikrolabor ragt die dreiteilige "Cluster-Anlage" heraus, in der zum Beispiel unterschiedliche Oxidschichten auf „nanometerschichtige“ Teile aufgebracht werden, Atomlage für Atomlage. (Ein Nanometer ist ein milliardstel Meter. Wirklich, wirklich klein.) Verschiedene Gasleitungen münden in die komplizierte Anordnung, sie winden sich an den vielen Filteranlagen vorbei, die im Labor für saubere Luft sorgen.

Wem es bis hierher noch nicht wie Science Fiction vorkam, der bekommt in Raum Zwei des Labors endgültig das Gefühl eines anderen Planeten. Hier sind die Fenster mit Folien abgeklebt, Speziallampen tauchen den Raum in ein dottergelbes Licht. In dieser besonderen Atmosphäre geht es um Fotolithografie der entstehenden Bauteile, hier werden sie bearbeitet, strukturiert, vermessen: Das Gerät, das die Oberfläche eines milliardstel Meters abscannen kann, ähnelt im Prinzip einem Plattenspieler, bei dem die Nadel über die Rillen der Platte fährt. Nur eben mit einer unsichtbar winzigen Nadel. Auf einer unsichtbar winzigen Platte. Auch die Arbeit eines Teamkollegen stellt Dr. Kovacs vor: geschätzte drei Meter Technik, ein Rolltisch voller Apparate, jede Menge Kabel, Monitore, Objektträger und ein großes Mikroskop – „und die Membran, um die es hier geht, ist da drunter“, zeigt Kovacs und lacht. Denn natürlich: sie ist unsichtbar winzig.

 

Unsere Serie „Labore im Fokus“ öffnet die Türen der vielen spannenden Labore der HFU und zeigt die vielfältigen Bereiche, in denen junge Nachwuchs-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Forschung herangeführt werden. Die Folgen erscheinen in loser Reihenfolge im HFU-Forschungsblog.

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Das Bild hat einen gelbstich und zeigt einen Mann der etwas betrachtet